Flug-Chaos oder Pflege-Chaos – WAS IST WICHTIGER ?
Welches Chaos sollte so schnell wie möglich behoben werden ? Natürlich – das Pflege-Chaos
Aber anscheinend stehe ich mit dieser Meinung relativ alleine da. Selbst in der Rubrik „Wirtschaft“ ist das sogenannte Flug-Chaos das beherrschende Thema des Tages bzw. der Tage. Das Pflege-Chaos wird erst gar nicht erwähnt.
Selbst in der Sendung „Hart aber fair“ kommt die ambulante Pflege nicht zu Wort. Aber das Flug-Chaos wird ausführlich erörtert. Im Ergebnis dürfen nun mehrere tausend Arbeitskräfte aus dem Ausland, konkret der Türkei, nach Deutschland einreisen und hier arbeiten. Ja, es heißt „diese Maßnahme sei zeitlich befristet“. Ich finde aber in keiner Veröffentlichung einen konkreten Termin für diese Befristung. Vielmehr heißt es:
„Die Maßnahme sei befristet. Es bleibe die Aufgabe der Branche, dafür zu sorgen, attraktive Arbeitgeber zu sein.“
Was will man mir damit sagen ?
Auf jeden Fall will man mir sagen, dass es dank der sehr guten Lobby-Arbeit, mit Unterstützung von Herrn Plasberg, möglich ist, sofort Arbeitskräfte aus dem Ausland zu rekrutieren. Ja gut, natürlich nur, wenn es sich um die Erhaltung der „schönsten Wochen im Jahr“ – den Urlaub – handelt.
Dies gilt natürlich nicht, wenn es um die Erhaltung des selbstbestimmten Lebens in den eigenen vier Wänden geht. Dafür bräuchte man ja nur Pflege. Aber das ist ja nicht so wichtig. Die älteren und kranken Menschen haben kaum noch Sozialkontakte, aber wer braucht die schon. Die älteren und kranken Menschen können nicht mehr alleine zum Einkaufen oder zum Arzt gehen, aber auch das ist ja wohl total überbewertet. Diese Menschen können ja in ein Heim ziehen. Das sich das nur eine Minderheit leisten kann, spielt dabei keine große Rolle.
Ich habe einer jungen Frau aus der Ukraine eine Festanstellung angeboten. So weit so gut, aber dann fingen die Probleme an.
Problem 1
Die Frau ist zwei Wochen vor dem offiziellen Kriegsbeginn nach Deutschland gereist. Sie und weitere Menschen haben die zu dem Zeitpunkt in der Ukraine kursierenden Gerüchte für wahr genommen und das Land bereits verlassen. Das ist aber auch schon das Problem. Sie sind jetzt keine anerkannten Flüchtlinge und erhalten nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung.
Problem 2
Die Dame hat einen ukrainischen Führerschein. Da aber das Fahrverhalten sehr unsicher war, habe ich eine Fahrschule in Braunschweig kontaktiert. Ziel war der angedachte konzentrierte Fahrunterricht mit einem Fahrlehrer. Die damit verbundenen Kosten hätte ich übernommen. Leider musste ich aber erfahren, das auch dies nicht so einfach wird. Die Ukraine gehört nicht zur EU. Daher kann die ukrainische Fahrerlaubnis nur für 6 Monate genutzt werden. Dann ist es erforderlich, eine schriftliche und praktische Prüfung abzulegen. Dafür reichen aber die Sprachkenntnisse nicht aus. Also muss die Bewerberin zunächst ihre Deutschkenntnisse so ausbauen, dass sie die schriftliche Fahrprüfung bestehen kann und dann sollten noch Fahrstunden genommen werden, um die praktische Prüfung zu bestehen. Das alles braucht aber mindestens 4 bis 6 Monate und ist teuer. Dann läuft aber schon das Visum ab.
Das pünktliche Erreichen eines Urlaubs-Fluges ist also wesentlich wichtiger als die Pflege unserer Seniorinnen und Senioren ?
Wer das mit JA beantwortet, sollte sich schämen.
Meine Mitarbeiterinnen stehen morgens um 4 h auf. Sie fahren zum Büro, nehmen Schlüssel und Medikamente auf und fahren zu den älteren und kranken Menschen, die ohne diese Hilfe nicht aufstehen könnten, nicht in ihrer Wohnung leben könnten oder nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könnten.
Meine Mitarbeiterinnen helfen bei der Morgen-Hygiene. Ich möchte jetzt hier nicht jeden Handgriff auflisten. Aber Sie können sich schon vorstellen, dass manche Menschen die ganze Nacht in der Inkontinenz-Hose liegen und wie das dann ausschaut und auch riecht ?
Ist dies unwichtiger als pünktlich mit dem gepackten Koffer ein Flugzeug zu besteigen ?
Muss es ja wohl, denn die Pflege, insbesondere die ambulante Pflege, wird sehr stiefmütterlich behandelt. Die Krankenkassen schreiben uns vor, zu welchen Gebühren die erbrachten Leistungen abzurechnen sind. Die Regierung schreibt uns nun bindend zum 01. September 2022 einen Tarifvertrag vor.
Uns, die Betreiber, fragt aber niemand, wie wir das leisten können. Warum nur haben schon in diesem Jahr vier Pflegedienstbetreiber in Braunschweig ihren Pflegedienst verkauft ?
Um wirtschaftlich arbeiten zu können, muss ein ambulanter Pflegedienst mindestens 42 Euro je Stunde abrechnen können. Das ist mit den Vorgaben der Krankenkassen aber nicht immer möglich. Wir möchten aber nicht nur die wirtschaftlich interessanten Patienten aufnehmen. Wir wollen auch die Personen betreuen, die nur eine geringe Leistung in Anspruch nehmen möchten.
Fordern wir höhere Gebühren, regen sich alle auf. Bringen diese Personen aber ihr Auto in die Werkstatt, werden Stundensätze von 135 Euro akzeptiert. Aber für die Pflege ist das zuviel. WARUM ?
Der Kraftstoff wurde trotz des Tankrabatts um 33,7 Prozent teurer.
Interessiert das irgendeine Person in der Regierung. NEIN, deren Fahrzeuge werden ja betankt.
Wir, die ambulanten Pflegedienste, tragen diese Mehrkosten aber selbst. Und wenn wir dann Pflegetouren neu planen, um wirtschaftlicher zu fahren, gibt es endlose Diskussionen mit den von uns betreuten Kunden, die eine zeitliche Umstellung nicht akzeptieren wollen .
Warum werden wir nicht in ihre Sendung eingeladen, Herr Plasberg ?
Warum können wir nicht mehrere tausend Arbeitnehmer:innen aus dem Ausland holen und einstellen ? Selbstverständlich zu den gleichen Bedingungen, zu denen wir unsere Pflegekräfte einstellen.
Wo ist die Lobby der ambulanten Pflegedienste ?
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