Kauf eines Pflegedienstes in Corona-Zeiten – Teil 2

Teil 2

 

Der Kauf eines Pflegedienstes in Corona-Zeiten, und das als Branchen-Fremde

 

Im letzten Artikel habe ich schon kurz die Rahmen-Bedingungen des Firmenverkäufers zu dem durchgeführten „Firmen-Blindkauf“ dargelegt. Ich kann förmlich sehen, wie Sie den Kopf schütteln und sich fragen, wie man so eine Auflage überhaupt annehmen kann.

Jede Person, der wir den Ablauf schildern, sagt:

         „Das geht in der Pflege gar nicht. Die Mitarbeiterinnen müssen sehr sensibel angesprochen werden. So eine Veränderung muss vorher umfasssend kommuniziert werden.“

Wie konntet Ihr Euch auf so einen Deal einlassen?”

 

Für uns galt:

“Alea iacta est”


Ein Zurück gab es nicht für uns. 

Wir, die neuen Inhaber und Geschäftsführer, waren zum Zeitpunkt der Übernahme dennoch hoch motiviert und neugierig.

Sicherlich war uns bewußt, dass uns nicht alle Mitarbeiter:innen mit offenen Armen empfangen würden.

Die Ausgrenzung, die wir dann jedoch erfahren mussten, hat uns dennoch überrascht.

 

Niemand war unfreundlich, nein, viel mehr waren alle zu freundlich. Wir wurden mit Kaffee versorgt, wir erhielten Einblick in den Material-Vorrat, der Fotokopierer wurde uns erklärt und man zeigte uns mit Stolz den „Weihnachts-Stempel“, der jedem ausgehenden Umschlag ab Anfang Dezember aufgesetzt wurde. Ich kann mich jetzt noch an das fragende Gesicht meines Mannes erinnern. Da war zu lesen “Wer braucht das?” und “Wer will das wissen?”    –    Wir brauchten ganz andere Informationen.

Nach einer Woche war mir klar “Hier muss was geschehen.”

„Wir müssen etwas unternehmen“ eröffnete ich am Abend das notwendige Gespräch mit meinem Mann. „Im Moment weiß ich noch nicht einmal, ob ich auf dem Flur einer Mitarbeiterin oder einer Besucherin begegne. Das kann so nicht weitergehen.“

„Darüber habe ich auch schon nachgedacht“ antwortete mein Mann. „Ich sehe Autos vorfahren, eine Person läuft ins Haus und ist schon nach wenigen Minuten wieder draußen. Ich habe schon überlegt, ob wir mit jeder Pflegekraft ein Einzelgespräch führen sollten. Die gehen uns doch schlicht und einfach aus dem Weg.“

„Was schlägst Du vor?“

„Ganz einfach, morgen ist Samstag. Da setzen wir uns unten in den Aufenthaltsraum und sprechen einfach jede Person, die reinkommt, an.“

 

Einsam und ratlos im Mitarbeiter-Raum

Gesagt, geplant und getan.

Am nächsten Morgen haben wir uns mit einem Kaffee gegen elf Uhr in den Mitarbeiter-Raum gesetzt. So richtig wohl habe ich mich nicht gefühlt.

Schon nach wenigen Minuten fuhr ein Kleinwagen mit unserem Firmenlogo vor, parkte recht umständlich ein und eine ältere blonde Frau entstieg dem Wagen. Sie betrat den Raum, grüßte nicht, wandte sich zu den Mitarbeiter-Fächern, legte eine Mappe und ein Namensschild ab und bewegte sich schon wieder Richtung Ausgang.

Ich schaute meinen Mann an, er schaute mich an.

Wie so häufig, ergriff mein Mann die Initiative.

„Guten Tag, darf ich mich nochmals vorstellen. Ich bin Thomas Heyer und dies ist meine Frau. Wir sind Ihre neuen Arbeitgeber. Sie waren sicherlich in der Vorstellungsrunde. Aber sehen Sie es uns bitte nach, so viele neue Gesichter und dann noch mit Masken. Daher bitte ich Sie, mir Ihren Namen zu sagen. Ich hoffe, Sie sehen das nicht als Unhöflichkeit.“

 

Einen kurzer Blick über die Schulter waren wir der Mitarbeiterin wert, mehr aber auch nicht. „Ich bin Olga. Ich arbeite hier als Fachkraft, ich putze nicht, ich fahre Fach-Touren, aber nicht mehr lange, gehe ja bald in Rente.“

Mit den Worten wandte sie sich wieder ihrer Tasche zu, ging zur Tür und ich hörte etwas, was wie „Dann noch ein schönes Wochenende” klang.

 

Gut, das hatten wir dann auch verstanden. Die Frau namens Olga wird wohl nicht mehr lange zum Mitarbeiterinnen-Kreis gehören und daher scheint ihr der Verkauf auch nicht viele Gedanken zu bereiten.

Dann verbrachten wir mehr als neunzig Minuten im Aufenthaltsraum der Mitarbeiter:innen. Glauben Sie mir, die Zeit wird lang, wenn man nur wartet und wartet und wartet und nichts geschieht. Wir wollten schon aufgeben, da betrat wieder eine Person das Haus. Sie stellte sich als Elisa vor. “Ich hab schon von ihnen gehört” sprach sie uns direkt an. “Sie sind die Neuen. Ich hatte letzte Woche keine Zeit, bin ja im Krankenhaus angestellt und arbeite hier nur am Wochenende.”

Das hat uns gereicht. Wir haben frustriert unsere angedachte Vorstellungsrunde beendet. Und wir haben gelernt: “So wird das nichts.”

Am Montag baten wir den langjährigen Mitarbeiter Alex um ein Gespräch und berichteten ihm von unserer kurzen, nicht so positiven Erfahrung. „Ich glaube, die Mitarbeiter sind etwas verunsichert“ erklärte er uns, denn „der alte Chef hat sich nie mit den einzelnen Mitarbeitern beschäftigt, schon gar nicht gesprochen. Der hat alles über die Pflegedienstleitung gesteuert. Den haben wir so gut wie nie gesehen. Der kam rein, ist in sein Büro gegangen und das war’s”.

Da fiel mir ein Satz der kurzen Vorgespräche ein. Ich hatte ihn gefragt, wieviele Patienten er persönlich kennt. Die Antwort hatte mich überrascht. Er kannten nicht einen einzigen Patienten und fuhr auch nie persönlich raus. Das hatte sogar unsere Kaufentscheidung mit beeinflusst. Hätte er oder seine Frau zu vielen Patienten eine persönliche Bindung gepflegt, hätten wir eher nicht gekauft. Wir sahen in dem Nichtkennen der Patienten einen Vorteil für uns, denn so hatten wir die Chance uns unbelastet vorstellen zu können.

Nun war aber klar: Wir brauchen eine neue Strategie.

 

Wie kommen wir weiter ?   Wie können wir uns einarbeiten ?

Wir haben am nächsten Arbeitstag sofort die Pflegedienstleiterin und ihre Stellvertreterin zu einem Gespräch gebeten. In diesem Gespräch haben wir dann zum Beispiel erfahren, dass es sich bei unserer Teilzeit-Sekretärin um die Nichte des Vorbesitzers handelte. Das war uns neu.

Der Mitarbeiter, der die Patientenbesuche nach § 37.3 übernahm, war der Bruder der früheren Mitinhaberin. „Das ist ja die reine Vetternwirtschaft“ war mein erster ungefilteter Kommentar dazu. „Gibt es noch weitere Verwandtschaftsverhältnisse, die uns verschwiegen wurden“ habe ich sicherheitshalber nachgefragt.

Beruhigenderweise gab es keine weiteren. Dann mussten wir erfahren, dass unsere einzige männliche Fachkraft bereits seit drei Wochen arbeitsunfähig war. Er hatte “Rücken”.

Das fängt ja richtig gut, dachte ich noch so. Eine Fachkraft steht kurz vor der Rente, eine weitere Fachkraft hat Rücken und die uns bisher bekannte dritte Fachkraft ist eine Aushilfe. Da darf man sich schon die Frage stellen: “Was haben wir nur gekauft ?”

Kneifen ging nicht, also wurde der erkrankte Mitarbeiter zu einem Gespräch gebeten. Schon am Folgetag kam er unserer Einladung nach. Bewegte sich auffällig schwerfällig auf der Treppe, für mich so ein bißchen provokant, um auf sein Rückenleiden hinzuweisen. Auch er zeigte sich überrascht über den Verkauf bzw. Kauf, stellte sich aber offen unseren Fragen und wirkte erst mal kooperativ.

Unsere Frage nach dem möglichen Wiedereinstieg in die Pflege beantwortete er mit der Erklärung: “Ich muss morgen wieder zum Arzt. Der wird mich aber nochmals krankschreiben müssen. Ich bin auf gar keinen Fall fit für die Pflege.”

“Mit welcher Zeit rechnen Sie dann realistisch. Als Fachkraft können Sie das doch sicher ganz gut einschätzen.”   “Ich rechne mit 10-12 Tagen.”

„Schön, dann sehen wir uns ja in knapp zwei Wochen“ war mein Rückschluss.   „Nein, noch nicht so schnell. Ich flieg ja noch nach Finnland zu den Schwiegereltern.“

Schweigen breitete sich im Raum aus.

„Also, Sie wissen, dass Sie so noch nicht arbeiten können, aber Sie wissen heute schon, dass Sie in zwölf Tagen nach Finnland fliegen können, um dort die Familie zu besuchen?“

„Ja, das kann ich schon einschätzen, ich hab das mit dem Rücken ja nicht das erste Mal.“

Sicherlich konnte es nicht unser Ziel sein, in den ersten Mitarbeitergesprächen eine negative Stimmung aufkommen zu lassen. Also Schweigen und Nachdenken. Dies war auf jeden Fall ein Start, wie man ihn sicht nicht wünscht.

Mitarbeiterführung ist uns nicht fremd. Dennoch stand die Frage im Raum “Sind DIE aus der Pflege anders ?” Vielleicht doch noch schnell einen Blick in die entsprechende und vorsorglich schon gespeicherte Ausarbeitung werfen = “Mitarbeiterführung in der Altenpflege http://bsimgx.schluetersche.de/upload848624280017294779.pdf

Dass die Damen der Pflege aber doch genau so neugierig sind wie Mitarbeiterinnen anderer Branchen, stellte sich schnell heraus. Schon nach zwei Tagen begann ein regelrechter Büro-Tourismus. Mehrmals am Tag wurde ich zaghaft gefragt “Darf ich mal Ihr Büro sehen. Die erzählen alle von den tollen Stühlen.” Natürlich war ich einverstanden, denn ich hoffte, so mit den eigenen Mitarbeiterinnen ins Gespräch zu kommen.

Und wie heißt es so schön “Mit Speck fängt man Mäuse.” Schnell war die Entscheidung getroffen, uns von dem Uralt-Mobiliar zu trennen. Diese Einrichtung hätte auch mich als Mitarbeiterin nicht zu Höchstleistung motiviert.

Mein Mann war froh ein Projekt starten zu können, auch wenn wir den eigenen Umzug immer noch nicht abgeschlossen hatten. Er begann sofort mit dem Umräumen der ältestens und unansehnlichstens Möbel. Es dauerte auch nicht lang und die Sekretärin fing mich im Flur ab. “Frau Heyer, wir haben doch darüber gesprochen die Möbel umzustellen.”

“Ja, das haben wir.”    Aufgeregt erwiderte sie  “Aber Ihr Mann räumt schon um.”

“Ja, so kenne ich ihn. Der wartet nicht ewig, sondern handelt, daran werden Sie sich gewöhnen müssen.”

“Ist das immer so?” kam die zaghafte Frage.

Ich musste schmunzeln “Ja, das ist immer so.”

Auch hier galt “Wir sprechen gerne über alles, aber handeln muss nicht unbedingt, nicht sofort und vielleicht auch gar nicht.”

 

……..Fortsetzung bald

 

 

Cornelia Heyer

Ambulante Krankenpflege 24 Stunden GmbH

38114 Braunschweig

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