Kauf eines Pflegedienstes in Corona-Zeiten – Teil 4

Jetzt geht es weiter  ——

 

Auf der in Teil 3 geschilderten Bootstour haben wir uns nicht erholt, sondern nur geärgert und aufgeregt.

Daher war ich gar nicht so unglücklich, dass wir wieder in Braunschweig waren. Um uns einen nervenschonenden Start zu gewährleisten wurde der Freitag zu einem freien Tag erklärt. Wir mussten eh noch die bestellten Leuchten im Möbelhaus abholen und wollten das mit der Suche nach weiteren notwendigen Möbeln verbinden. Es musste nur der Abholschein aus dem Büro geholt werden. Eigentlich keine große Angelegenheit – ins Büro und eben den Lieferschein holen. Da gibt es nichts zum Nachdenken. Aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass eine Lawine den Berg runterrollt, die wir nicht mehr aufhalten konnten. Heute sage ich – war auch besser so.

Wir parkten auf unserem Firmengrundstück. “Springst Du grade rein und holst den Lieferschein?” Mein Mann hatte schon gar keine Lust die eigene Firma zu betreten. Das ist grundsätzlich ein sehr schlechtes Zeichen. Also bin ich rein. Die erste Mitarbeiterin, der ich begegnete war Dagmar, die Tourenplanerin. Irgendwie hatte ich das Gefühl, sie wollte sich hinter der obligatorischen Büropflanze, die mitten im Raum stand, verstecken. Sie wirkte auch sehr verlegen. Und genau das hat mich überrascht, denn Dagmar war immer gut für eine flotten Spruch.

Aber ich bin die Chefin, dachte ich, und habe sie brutal angesprochen und Fragen gestellt. Sie war recht kurz angebunden, so an der Grenze zur Unfreundlichkeit. Das mache ich heute aber nicht mehr zu meinem Problem, war mein Gedanke. Also nach oben ins Obergeschoss und den Lieferschein abholen. Auf der Treppe erblickte mich die Pflegedienstleiterin, die sich sofort abwandte, ihr Arbeitszimmer betrat und die Tür schloss. Gut, dachte ich, da gibt es Ärger oder ein Problem. Aber dem nehme ich mich heute nicht mehr an. Selbst unser kaufmännischer Mitarbeiter, der bisher immer sehr hilfreich an unserer Seite gekämpft hat, schien irgendwie verlegen zu sein.

Als ich wieder im Auto saß, entwich mir ein tiefer Seufzer. “Du glaubst nicht, welche schlechte Stimmung da drin herrscht” wandte ich mich an meinen Mann. “Warum hast Du nicht gefragt, was los ist”, fragte er mich. “Nee, wenn ich das heute hinterfrage, kommen wir hier nicht mehr raus. Da ist eine so miese Stimmung, die greift Dich förmlich an. Und dafür habe ich heute keine Energie. Das reicht auch morgen.”

Der nächste Arbeitstag begann dann mit dem Satz, den jeder Arbeitgeber liebt:  “Frau Heyer, haben Sie mal einen Moment Zeit für mich.” Okay, es geht los, dachte ich so bei mir. Unsere Pflegedienstleiterin informierte mich über die am Vortag eingegangene Kündigung der Mitarbeiterin Dagmar. Ein konkreter Grund wurde nicht angegeben. So ganz allgemein habe sie sich geäußert, dass sie mit den Veränderungen nicht klar komme. Da wir bis zu dem Tag lediglich Möbel umgeräumt und neues Geschirr gekauft hatten, fehlte uns ein echter Grund.

“Wollen Sie nochmals mit ihr sprechen” wandte sich die Pflegedienstleiterin an mich. “Warum?” war meine Antwort. Dagmar hat ganz bewußt unsere einwöchige Abwesenheit genutzt, um die Kündigung nicht nur auszusprechen, sondern auch schriftlich abzugeben. Was soll man dann noch sprechen?

Das Problem war aber größer, als zunächst angenommen. Dagmar war wirklich eine begnadete Tourenplanerin und weit und breit war keine weitere in Sicht. Ich hoffte damals noch, dass die Mitarbeiterin an einem ordentlichen Abschluss ihrer Tätigkeit interessiert ist und die verbleibende Kündigungsfrist nutzt, um eine Kollegin einzuarbeiten. So weit der Gedanke. Da muss selbst ich heute lachen. So naiv bin ich eigentlich nicht.

Nur wenige Tage später fand die alle 2 Jahre vorgeschriebene Erste-Hilfe-Unterweisung der Mitarbeiter statt. Wir hatten einen Referenten gebucht, der für mehrere hundert Euro eine Online-Schulung präsentierte. Die Teilnehmerzahl war begrenzt. Daher war ich schon überrascht, das die bald ehemalige Mitarbeiterin in der ersten Schulungsrunde eingeplant war. Die lapidare Antwort der dazu befragten PDL-Vertreterin war “Das ist doch egal. Müssen doch alle in die Schulung.” Das sah ich etwas anders, aber okay, erst mal nichts erwidern war mein Gedanke.

Und noch an diesem Tag hatte ich meine erste Unterrichtsstunde zum Thema “Verhalten einer Fachkraft nach der Kündigung.”

Die Schulung endete um genau 15.30 h. Um genau 16.20 h kommt per Mail die Krankmeldung der “guten Dagmar”. Und wen überraschte es – natürlich bis zum Ende der Kündigungsfrist. Keine Empathie für Patienten, die sich auf die gesicherte Betreuung verlassen, keine Empathie für Kolleginnen, die nun diese Patienten mit betreuen müssen. Keine Empathie für nichts. Übrigens eine Erfahrung, die wir noch öfter machen durften. Aber es war sicherlich für die neue Anstellung von Vorteil, dass sie den frischen und von uns bezahlten Erste-Hilfe-Kurs nachweisen konnte.

Mich macht so ein Verhalten einfach nur wütend. Ich kann sehr gut damit umgehen, wenn jemand meine Entscheidung in Frage stellt, wir darüber diskutieren und ich eine Sichtweise erklärt bekomme, die ich möglicherweise nicht bedacht habe. Ich weiß noch, dass ich mich sehr hilflos gefühlt habe. Natürlich stand der unausgesprochene Satz im Raume, dass wir für die Kündigung verantwortlich waren.

Eine Rücksprache mit unserem kaufmännischen Mitarbeiter beruhigte uns auf gar keinen Fall. Alexej informierte uns, dass  es eine große Unruhe im Team gäbe und möglicherweise drei weitere Kündigungen anständen. Na, super – dachte ich nur bei mir. Wie sollen wir das nur auffangen? Um vorbereitet zu sein, habe ich mich in das Selbst-Studium der Firmensoftware Medifox gestürzt. Mir war klar, ich muss mein Fachwissen aufbauen, ausbauen und mich unabhängig machen. Also habe ich mir von Alexej einen eigenen Zugang freischalten lassen. Und dann ging es los.

Heute – im Rückblick – muss ich schmunzeln. Ich weiß nicht, wieviele Stunden ich einfach nur vor dem Bildschirm saß und habe Informationen aufgenommen, ohne sie bewerten zu können. Damals waren Begriffe wie Anwendungen nach SGB V und Pflege nach SGB XI oder Bewertung nach § 37.3 komplett fremd. Ich saß ganz ruhig vor meinem PC, da schoß unsere Pflegedienstleiterin in mein Büro. “Kann es sein, dass Sie in Medifox sind?” Ich schaute nur auf. “Ja, das bin ich.”  “Was machen Sie da?” Bei der Frage musste ich dann doch lachen. “Ich glaube, ich bin hier noch die Chefin, die Inhaberin und auch die Geschäftsführerin. Also habe ich wohl jedes Recht, in meiner Firma die von mir eingesetzte Software anzuschauen.”   Ob Sie es glauben oder nicht, eine Antwort habe ich nicht erhalten.

Die Damen, die frühmorgens jeweils eine Frühtour fuhren, setzten sich dann immer für mehr als eine Stunde hinter verschlossenen Türen zusammen. Das nannte man “Team-Besprechung”. Die Tür in den Flur und die Tür in den Mitarbeiterraum war verschlossen und es hing ein Schild an der Tür auf dem der Hinweis zu lesen war, dass das Eintreten untersagt war. Ich habe mich wirklich gefragt, ob das auch für mich, die Inhaberin, gilt. Heute kann ich darüber aber schmunzeln.

In diesem relativ großen Raum befanden sich Arbeitsplätze, die in einem U angeordnet waren. In der Mitte die unsägliche Büropflanze. Da in dieser Runde die Touren geplant, die Behandlungs- und Betreuungsabläufe geplant und festgelegt wurden, nannten wir diesen Arbeitsbereich in den Anfängen “den Zauber-Zirkel”.  Damit haben wir damals auch unseren Respekt vor der Planungs-Zauberei gezeigt.

Nach den Monaten der Enttäuschungen und der Respektlosigkeit nahm mein Mann eine Umbenennung vor. Jetzt war es   “DER ZICKEN-ZIRKEL”.

Mutig, aber wahr. Das zeigte sich auch an einem weiteren Punkt. Als Geschäftsführerin habe ich die Damen informiert, dass ich ab sofort mindestens einmal pro Woche an dem Treffen teilnehmen werde. Die Frage nach dem WARUM, hat man sich verkniffen. Der nächste Donnerstag war dann der Tag meiner Teilnahme. Es wurden Informationen zu den Patienten ausgetauscht, die jedoch nicht selbst, sondern von den fleißigen Pflege-Assistentinnen eingebracht wurden. Woran mag es wohl gelegen haben? Die Runde hatte nach genau 23 Minuten nichts mehr zu besprechen. Lag es an meiner Teilnahme? Bestimmt nicht. Es gab einfach nicht so viel zu berichten, habe ich mir gesagt.  🙂

 

Seien Sie gewiss – es geht genau so lebhaft  weiter. Manchmal jedoch bis an die persönliche Belastungsgrenze. Sie werden es erfahren.

 

Cornelia Heyer

Ambulante Krankenpflege 24 Stunden GmbH

38114 Braunschweig

 

 

 

 

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