So einen Tag wie heute brauche ich auch nicht
So einen Tag wie heute kann man nur streichen
Bereits um 5.17 h musste ich die Nacht für beendet erklären. Ein Blick auf mein Telefon hat gezeigt, dass eine WhatsApp-Nachricht eingegangen war. Damit war klar, es gibt eine Krankmeldung, und dies nicht von einem Patienten, sondern definitiv von einer Mitarbeiterin.
Und richtig, ein Rückruf bei Roswitha brachte auch meinen Puls in die Höhe. Unser „Neuzugang“, examinierte Altenpflegerin, seit genau 6 Tagen im Dienst, meldet sich mit Magen-Darm-Schmerzen krank, und das an einem Freitag.
Sofort war klar:
Jetzt müssen wir auch das Wochenende neu planen.
Also sofort in Hose und Bluse und ab ins Büro. Dort saßen schon Roswitha und Gabi und waren dabei die Patienten von einer Tour auf die andere zu verschieben.
Da haben die jungen Damen, die vorher stationär gearbeitet haben, überhaupt keine Vorstellung, was eine Krankmeldung so knapp vor Dienstbeginn bedeutet. Im Seniorenheim oder im Krankenhaus wäre eine so knappe Krankmeldung kein großes Problem. Entweder holt man eine Pflegekraft von der Nachbarstation oder, was häufiger vorkommt, die Patient:innen müssen einfach etwas länger waren.
Diese Geduld bringt aber der Patient eines ambulanten Pflegedienstes nie auf. Schon Verspätungen von 10 – 12 Minuten führen zu Anrufen und der Nachfrage wer denn bitte und wann kommen wird.
Dies war heute auch nicht anders. Mit Ansage rief Frau Pernitz an. “Sie wissen doch, dass ich heute zur Fußpflege muss. Wann kommt denn endlich jemand.” Eine Antwort wollen diese Damen dann gar nicht hören. Es ist schon vorgekommen, dass diese Patientin einfach aufgelegt hat, sobald sie ihre Frage losgeworden war. So ein Verhalten ist einfach nur unverschämt und unhöflich. Es gibt schon gute Gründe, wenn wir uns verspäten. Jede Patientin sollte sich mal vor Augen führen, dass auch sie ein Notfall werden kann und dann einfach nur froh ist, wenn die Pflegekraft bei ihr bleibt, auch wenn dies mehr eine moralische Unterstützung ist.
Irgendwann, wenn ich einen noch schlechteren Tag habe, rufe ich definitiv zurück und erkläre der Patientin, wie unverschämt, rücksichtslos und untragbar ihr Auftreten bei mir angekommen ist. Sicherlich habe ich dann eine Patientin weniger, aber zumindest habe ich meine Achtung erhalten.
Wie mein Mann schon immer sagt “Hat der Papagei Fußpilz, ist der Besuch beim Tierarzt wichtiger, als die Einhaltung unseres bekannten und vorgemerkten Pflegetermins.”
Alternativ könnte ich auch eine kostenpflichtige Rufnummer beantragen. Dann höre ich mir alle Beschwerden und Änderungswünsche an und jede Minute bringt dann auch noch 2,99 Euro. Aber diese “bösen” Gedanken sind dann auch immer schnell wieder vergessen. Wer weiß, wie ich mich im Alter entwickele und womit ich dann nerve. Vor einer Woche rief mein Bruder an. “Du, ich glaub es nicht. Ich habe mich eben angehört wie unser Vater. Und so wolle ich nie werden.” Da habe ich nur geantwortet “So lange Du das noch merkst, ist doch alles in Ordnung. Wir werden auch nicht die Macken ausleben, die uns heute nerven, wir entwickeln definitiv andere Macken. Und ob die dann für unser Umfeld leichter zu ertragen sein werden, bleibt noch abzuwarten.”
Jetzt gehen auch noch Änderungswünsche der Patient:innen ein
Um 10 Uhr hatten wir dann auch den neuen Plan fürs Wochenende stehen. Gerade die Tasse Kaffee gefüllt, da ruft Herr Bottmann an und informiert uns, dass er übers Wochenende seine Tochter besucht und keine Pflege durch uns braucht.
Gut, also erneut den Plan umstellen und den Besuch bei Herrn Bottmann rausplanen.
Nur zehn Minuten später kam der Anruf von Frau Clarin.
„Hallo, Frau Heyer, ich habe ganz vergessen, dass unsere Mutter ab Montag in die Kurzzeitpflege geht. Ich hab das total vergessen. Planen Sie meine Mutter bitte für die nächsten drei Wochen raus.“
Nun war ich doch ungehalten. „Das hätten Sie mir aber auch schon mitteilen können, als Sie die Zusage erhalten haben. Das wissen Sie doch nicht erst seit heute.“
„Tut mir auch leid. Aber ich melde mich auf jeden Fall, wenn ich weiß, wann meine Mutter wieder nach Hause kommt.“
„Wenn jetzt noch irgendwer anruft und einen Pflegetermin absagt, das sage ich Euch, der hat richtig Ärger“ informierte ich mein Team. Und tatsächlich wurde es ruhiger.
Aber dann musste sich noch Frau Velbert beschweren. Frau Velbert, pensionierte Lehrerin, ist die Tochter einer 95-jährigen Dame, die wir nach einem Krankenhausaufenthalt betreuen. Die Wohnung der Patientin ist vollgespickt mit Anweisungen für uns. Die finden wir im Badezimmer, im Flur, in der Küche und auch im Wohnzimmer. Sicherlich sind auch sinnvolle Tipps dabei, aber wir brauchen keine Gebrauchsanweisung wie ein Bett aufzudecken oder wie ein Handtuch nach dem Gebrauch zu falten ist.
Die gute Frau Velbert war aber heute im Recht. Unsere Mitarbeiterin hat leider vergessen, der Patientin den Notrufknopf umzuhängen. Der wurde im Badezimmer vergessen.
https://www.hausnotruf-ratgeber.de/hausnotruf/notrufknopf/
Das darf natürlich nicht vorkommen und dies muss auch mit der Mitarbeiterin kommuniziert werden.
Aber jetzt muss mit Hochdruck die neue Woche umgeplant werden. Sollten wir es wagen und unsere „Magen-Darm-Kranke“ wieder einplanen ?
Um unserer Tourenplanerin einen ruhigeren Start in die Woche zu ermöglichen, haben wir die Mitarbeiterin für den Montag rausgeplant.
Damit fehlte dann aber wieder eine Fachkraft für die „Spritzen-Tour“.
Also wieder Bettelanrufe bei allen Mitarbeiterinnen, die mit FREI im Dienstplan vermerkt waren.
Auch das Problem konnten wir lösen.
Aber dann:
Frau Deley ruft an. War ja auch erst das vierte Mal in dieser Woche. Sie will sich natürlich wieder Mal beschweren. Was ist passiert? Unsere Mitarbeiterin Birgit hat angeblich beim Einkauf die falsche Fischkonserve gekauft. Die, die sie gekauft hat, war genau vier Tage über dem Mindesthaltbarkeitsdatum. Gut, war jetzt nicht toll. Aber aus meiner Sicht auch kein Grund zu der massiven Beschwerde. Wem ist es nicht schon mal passiert, dass man zu Hause die Einkäufe einräumt, und dann selbst feststellt, dass ein Artikel knapp über dem MHD-Datum liegt. Aber dieser Fehlkauf war nicht der einzige Grund für die Beschwerde. Die Mitarbeiterin hatte die Hauswirtschaft um genau 14.52 h beendet. Also waren nach Ansicht der Ehefrau unseres Patienten noch 8 Minuten Zeit, die sie verplanen konnte und auch wollte. Der Auftrag lautete “Umtausch der Fischkonserve”.
Da hat dann zu Recht unsere Mitarbeiterin gestreikt. Ich kenne unsere Birgit, die ist immer freundlich. Ich glaube, die kann gar nicht laut und schon gar nicht ungerecht werden. Die verbleibende Zeit hätte niemals ausgereicht, um den Umtausch vorzunehmen und der nächste Patient wartete ja auch schon.
Jetzt möchte Frau Deley, dass wir eine Mitarbeiterin zu ihr schicken, die den Umtausch vornimmt und unsere Birgit lehnt sie jetzt ab.
Nach weiteren 30 Minuten waren die Fronten geklärt. Wir pflegen weiter den Ehemann, Frau Deley tauscht ihre Fischkonserve selbst um und wir sind wieder Freunde. Warten wir mal ab, wie lange.
Da ichnoch nicht eine der Aufgaben, die ich mir vorgenommen, erledigt oder auch nur angedacht hatte, fiel die Entscheidung einfach:
Ich beende den Tag jetzt – die Arbeit läuft nicht davon. Ich rufe dann später meine Mutter an und berichte ihr von meinem Tag. Deren Antwort kenne ich schon:
“Du hast Dir das doch selbst ausgesucht. Jetzt jammer nicht rum.” 🙂
Cornelia Heyer
Ambulante Krankenpflege 24 Stunden GmbH
38114 Braunschweig
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