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Waren wir vor dem Arbeitsgericht oder auf einem orientalischen Markt ?

Ja, das war die Frage meiner Mitarbeiterin, nach einem ca. 10-minütigen Termin vor dem Arbeitsgericht Braunschweig.

Ich stelle mir diese Frage schon gar nicht mehr, denn meine Erfahrungen führen zu meiner persönlichen Meinung, dass weder Richter/Richterinnen und Anwälte/Anwältinnen an einem echten Verfahren interessiert sind.

Hier ein Beispiel:

Eine Mitarbeiterin hat in den ersten sechs Monaten der Betriebszugehörigkeit gesamt 23 Krankentage eingereicht. Das führt in einem kleinen Unternehmen schon zu der Frage :”Übernahme nach der Probezeit oder nicht.” Aufgrund der Fürsprache einer weiteren Mitarbeiterin habe ich mich für die Übernahme entschieden und dies mit der Hoffnung verbunden, dass die Krankenserie mit der Sicherheit des Arbeitsplatzes beendet würde. Dem war aber leider nicht so.

In den weiteren sieben Monaten summierten sich neue 85 Krankentage. Und diese aber leider nicht in einem zeitlichen Zusammenhang. Es wurde zwei Wochen gearbeitet, es folgten unregelmäßig 5 bis 10 Krankentage. Dann folgte wieder eine oder auch zwei Arbeitswochen und dann wieder Krankmeldungen.

Nachdem auch die Arbeit deutlich unter den Fehlzeiten litt, mußte ich mich für die Kündigung entscheiden. Gleichzeitig habe ich die Krankenkasse angeschrieben. Es war für mich einfach unglaubwürdig, dass in den gesamt 108 Krankentagen keine 42 Fehltage auf das gleiche Krankheitsbild zusammengetragen werden konnten. Mit dem Hinweis auf die fehlende Erklärung habe ich das Gehalt einbehalten und die Mitarbeiterin schriftlich darüber informiert, dass ich davon ausgehe, dass sie sich in der Lohnfortzahlung durch die Krankenkasse befindet. Eine Abrechnung nach Auskunft der Krankenkasse habe ich schriftich zugesagt.

Man wird ja als Arbeitgeberin zu einer “Mini-Juristin”. Daher war mir bekannt, dass Krankentage auf das gleiche Krankheitsbild über ein Jahr summiert werden. Ich bin dann als Arbeitgeberin nicht mehr in der Lohnfortzahlung, wenn 42 Krankentage auf den identischen Befundschlüssel nachgewiesen werden. Es darf jedoch ein Zwischenzeitraum von 6 Monaten nicht überschritten werden. D.h. tritt das identische Krankheitsbild mit einem zeitlichen Abstand von sechs Monaten auf, kann ich die Zeiten nicht mehr addieren.

Und, was geschah dann ?

In der Zeit auf eine Antwort wurde durch die Arbeitgeberin bereits eine Anwältin beauftragt und ein Termin beim Arbeitsgericht wurde festgelegt.

Die Wahl der Anwältin hat mich nicht überrascht. Die junge Frau war mir bereits persönlich bekannt. Überrascht hat mich nur das neue Fachgebiet “Arbeitsrecht”.  Aber auf der anderen Seite war diese Wahl auch erklärbar.

Welcher Anwalt / welche Anwältin will beispielsweise monate- und jahrelange Prozesse führen, um dann am Ende eine Rechnung schreiben zu können, die möglicherweise nicht bezahlt wird, da der oder die Mandant/in nicht mit dem vor Gericht erzielten Ergebnis bzw. Urteil oder Vergleich einverstanden ist.

Was hat man von den großen Schriftsätzen im Medizinrecht, im Versicherungsrecht oder im Vertragsrecht ?  NICHTS !

Da ist doch mit Blick auf nicht bezahlbare Rechnungen, auf zu leistende Gehaltszahlungen etc. das schnelle Geld aus einem Arbeitsprozeß deutliche interessanter. Vor allen Dingen, wenn man sich als Mandanten die Arbeitnehmer erwählt. Dabei kann man gar nicht verlieren, denn es wird mindestens ein Vergleich. Und – ganz wichtig – die Schnelligkeit in der Terminlegung eines Arbeitsgerichts ist beeindruckend.

Sie reichen eine Klage ein, der Termin ist – zumindest in Braunschweig – maximal nach zwei bis drei Wochen. Es gibt in der Regel immer eine sofortige Einigung. Und dann kann eine Rechnung geschrieben werden. Das gefällt dann auch den Anwälten, die im Studium von großen Vorträgen und Verhandlungen geträumt haben.

 

Wie erwartet, erschien die Anwältin ohne die Klägerin. Leider besteht für die Klägerseite keine Anwesenheitspflicht. Darüber sollte man auch mal nachdenken.

Wenn Recht gesprochen werden soll, muss sich doch ein Richter “eigentlich” einen persönlichen Eindruck der Parteien  verschaffen.

Aber will er das auch ?  Ist ein Arbeitsgerichts-Richter nach Jahren der Tätigkeit vielleicht auch müde und desillusioniert ?  Ich weiß es nicht.

Auf jeden Fall ist das persönliche Erscheinen keine Bedingung.  Der weitere Verlauf der Verhandlung hat auch gezeigt WARUM !

Von Rechtssprechung waren wir aus meiner Sicht weit entfernt, denn

  1. es wurde Prozeßkostenhilfe bewilligt, obwohl die Angaben der Klägerin schlicht und einfach falsch waren. Sie entsprachen nicht der Wahrheit.
  2. die Verhandlung wird mit der direkten Frage des Richters eröffnet “Wie können sich die Parteien einigen ?”
  3. die Klägervertreterin fordert rund 80 % eines Netto-Gehalts als Abfindung und ein Zeugnis mit der Schulnote zwei und freundlicher Grußformel.

Verhandeln sieht für mich anders aus.     108 Krankentage – EGAL, interessiert eh niemand.

Und dann wird einfach nur gehandelt wie auf einem orientalischen Markt. Es geht überhaupt nicht mehr um den Kündigungsgrund, die Vorgeschichte der Kündigung, den finanziellen Mehraufwand für mich als Arbeigeberin, den finanziellen Verlust durch nicht betreute oder angefahrene Patienten, den Imageschaden durch zeitnahe Absagen bei den Patienten etc. ect.

Vom Richter kam zwischendurch die Frage “Frau Heyer, wollen Sie es wirklich an zweihundert Euro scheitern lassen ?”     Meine Antwort: “JA, mein Verlust ist schon hoch genug.”

Und noch eine Aussage passt mir nicht. Der Richter meinte, die Abfindung sei für den Verlust des Arbeitsplatzes anzusehen. Da habe ich mich wirklich gefragt “War dieser Richter die letzten zwei Jahre weit weg von Deutschland?”

In Deutschland, auch in Braunschweig und Salzgitter, sucht jedes Unternehmen und speziell jeder Pflegedienst täglich Mitarbeiterinnen.

Diese gekündigte Mitarbeiterin hat nun eine Abfindung erstritten, kann sich aufgrund der Kündigung SOFORT arbeitssuchend melden und bezieht ab dem ersten Tag Arbeitslosengeld. Mit der ernsthaften Suche nach einer neuen Anstellung kann man sich ja in den Sommermonaten etwas Zeit lassen. Die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland bieten eine ausreichende Absicherung.

 

 

 

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